Allzu gut erinnere ich mich, als ich vom Österreichischen Bundesheer in den frühen 90ern zur Stellung geladen wurde. An zwei unvergesslichen Tagen wurden meine psychischen und physischen Fähigkeiten für die Republik in einer steirischen Kaserne getestet. Thomas Klestil war damals Oberbefehlshaber des Heeres und die Affäre Löffler im Entstehen.
An einem kalten Februarmorgen fror ich mit kurzer, weißer Bundesheer Hose in den sterilen Kasernengängen. Das Stellungsgebäude war in einem tristen, baracken Stil erbaut. Ich wurde von oben bis unten, von vorne bis hinten begutachtet und fühlte mich gänzlich deplatziert. Noch dazu machte ich eine folgenschwere Aussage, die mir meine Musterungszeit nicht unbedingt erleichtern sollte:
„Ähm. Ich will zum Zivildienst. Bitte!“
Verstörte Blicke bekam ich als Reaktion und wurde in meiner Stellungsgruppe zum auffälligen Freak. Das sozialromantische “Zivildienst” Standing der 90er entsprach einem Outing als Roy Black Fan. Dies war für meine Kollegen unvorstellbar, wie damals Frauen bei den Wiener Philharmonikern. Die Wünsche meiner Stellungskollegen waren schnell subsumiert: Oberste Priorität war die “Fliegertauglichkeit”. Dann kam: „Spaß, Saufen und Schiassn“. Besonders freuten sich alle aufs „Schiassn“. Lediglich Thomas Klestil schenkte mir Zuspruch, und lächelte milde von der Kasernenwand.
Am Ende des zweiten Tages wurden wir vor die Stellungskommission gebeten. „Tauglich“ oder „Untauglich“, das war hier die Frage. Die allermeisten die sich aufs „Schiassn“ freuten, kamen freudig mit einem „Tauglich“ aus dem Kommissionszimmer gestürmt.
Endlich war ich an der Reihe… die Stellungskommission begutachtete akribisch meine Testergebnisse, sowie meine mitgebrachten ärztlichen Atteste. Das gestrenge Kollegium beriet sich intensiv. Nach einer ewiglangen Nachdenkpause fragte mich ein mit bunten Orden geschmückter Bundesheerarzt mit ernstem, pathetischem Ton: “Herr Buchgrabner. Könnten sie sich vorstellen untauglich zum sein?”Untauglich. Wie das klang. Innerlich hüpfte ich 3 Meter hoch, mein Herz raste, wie vor meiner ersten Fahrstunde. Äußerlich versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. Ich wollte cool, wie Roy Black wirken und nickte devot wie Thomas Klestil. Mit gespielter Enttäuschung antwortete ich: “Ja. Danke.” Ich schnappte mir schnell meine Untauglichkeitsbescheinigung und ging hinaus zu den anderen.
Freudig rief ich: „Untauglich!“
Fassungslose Blicke verachteten mich. Thomas Klestil lächelte noch immer verliebt von der Wand. Wie sang schon Roy Black: “Ganz in Weiß mit einem Blumenstrauß!” Den Blumenstrauß hatte ich zwar nicht. Dafür stand ich mit weißer Unterhose und einer Untauglichkeitsbescheinigung in den kalten Kasernengängen herum.“ So schön muss eine Hochzeit sein”, dachte ich mir. Die passende Frau hatte ich zwar nicht, dafür lächelte mir Thomas Klestil weiter milde zu. Er war verliebt. Und ich untauglich.