Sprengstoff… Gürtel

Als ich mit meiner geliebten Geliebten vor mehr als einem Jahrzehnt aus der grünen Steiermark in die schöne Wienerstadt gezogen bin, durften wir vieles neu erlernen. Allzu oft passierte es, dass ich beim Aussteigen aus dem Auto auf ein Hundstrümmerl gestiegen bin. PLATSCH. Und schon war es geschehen.

Beim anschließenden hektischen Ausfüllen des Parkscheins geschah das nächste Malheur. Ich verwechselte Datum mit Uhrzeit oder das Jahr mit der Uhrzeit. Selbst der Wiener mitsamt seinem goldenen Herzen hat nicht unbedingt auf unser Erscheinen gewartet…, obwohl wir uns integrationstechnisch wirklich redlichst Mühe gaben. Eines Morgens öffnete meine in Deutschland geborene geliebte Geliebte mit unserer Kleinen die Wohnungstür und meinte freudig: „Guck mal Schatz! Da ist ’n Schornsteinfeger!“ Dieser sah sie nur genervt an und antwortete barsch: „Rauchfangkehrer.“

Zwecks Integrationsbeschleunigung wollte ich an einem typisch wienerischen Ort zu gehen. Der Gourmettempel schlechthin. Die wienerische Variante des Fast Foods. Ich stattete dem Wiener Würstelstand am Gürtel einen Besuch ab.

„Ein schöner ruhiger Gastgarten ist …was anderes…“, dachte ich mir. Selbst, wenn ich diesen Gedanken laut hinausgeschrien hätte, wäre dieser, ob des Lärms wohl übergehört worden. Schon von der Ferne sah ich einige hungrige Menschen, die ungeduldig vor dem Stand ausharrten. Eine handgekritzelte „Komme gleich!“ Tafel ließ mich fünf Minuten hungrig im nasskalten November stehen. Ein älterer Mann gesellte sich zu mir und gab mir folgende Information:

„Der Würstler do is besser als des Mägdonald! Und… er is nur am Häusl. “

Dann kam der Besitzer des Würstelstands sichtlich erleichtert zurück. Ich wollte als echter Wiener glänzen und bestellte, als ich an der Reihe war, voller Stolz und mit bemühtem gespielten Wiener Akzent:

“Habe die Ehre. A Eitrige und ahn Bugl… ah jaaa und a Sechzehnaa Blech dazuaaa!“

Der Würstelstandbesitzer schaute mich verzwickt an, holte tief Luft und antwortete staubtrocken: „Eh!“ Ich fragte ungläubig mit leicht steirischem Dialekt: „Wous?“, worauf der Standler antwortete: „Den Satz hör ich jeden Tag hundertmal, da wollen die Touristen immer brillieren. Des steht wahrscheinlich in irgendeinem Reiseführer!“ Ich fühlte mich peinlich ertappt. Den Satz hatte ich tatsächlich aus einem Wien Buch entnommen. Der Standler sah meinen irritierten Blick und meinte, während er mir eine Dose Ottakringer reichte: „Mocht nix. Ich hab den Satz auch schon viel schlechter ghört. Mahlzeit!“

Das gab mir Mut. Ich genoss die Spezialität im novembergrauen Gürtellärm. Auch der ältere Herr war noch da. Während er an seiner „Debreziner“ zuzelte, grummelte er: „Vü besser als des Mägdonald! Vüh besser.“

Kann durchaus sein, dass es den echten Wiener wirklich gibt. Ich bin es nicht. Und werde es wohl auch nicht mehr werden. Aber unsere innerfamiliäre Wien – Integration schreitet voran. Unsere Kinder sagen bereits “ur”.